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Stadtplakettenverleihung 2023

Bei der Festveranstaltung am 20. Oktober 2023 in der Galerie des Malzhauses überreichte Oberbürgermeister Steffen Zenner eine Stadtplakette der Stadt Plauen an Hansgünter Fleischer.

Laudatio auf Hansgünter Fleischer

- Es gilt das gesprochene Wort. -

Sehr geehrte Gäste und vor allem lieber Hansgünter und liebe Waltraud,

ich kann mich noch ganz gut erinnern, als sich erstmals - wissentlich von meiner Seite - unsere Wege kreuzten. Als sehr junger Journalist für den »Vogtland-Blick« war ich erstmals aus beruflichen Gründen bei einer Stadtratssitzung zu Gast. Und während die politischen Akteure der Nachwendezeit doch in einem teilweise recht rüden Ton aufeinander einschlugen und sich in der noch jungen Demokratie ausprobierten, stand da ein Beigeordneter, der für mich damals wenig spannend daher kam - in seinem grauen Jackett, mit sorgsam gekämmtem Haar und schmaler Brille. Das einzig wirklich farbige, was ich damals an Hansgünter Fleischer wahrnahm, war seine bunte Krawatte. In meinen ersten Beiträgen - und dafür möchte ich mich heute gern entschuldigen - kamst Du, lieber Hansgünter, vielleicht oft ein wenig zu schlecht weg.
Als Beigeordneter für die Themen Schulen und Kultur warst Du in einem Bereich tätig, in dem gerade in der Nachwende-Zeit das Tauziehen um kluge Lösungen oft besonders groß war. Damals warst Du für mich meist zu leise, ein Diplomat eigentlich. Es war eben nicht die Zeit für Diplomaten, nicht die Zeit für leise und bedachte Töne. Aus heutiger Sicht ist es aber genau das, was ich an Dir ganz besonders schätze.
Am Freitag, dem 13., genauer gesagt am 13. September 1941 ist Hansgünter Fleischer in Plauen auf die Welt gekommen - er sollte das einzige Kind seiner Eltern bleiben.
Sein Weg ins Leben, war gar nicht so einfach. Acht Tage - so ist es überliefert - übernachtete die Hebamme an der Seite seiner Mutter und der damalige Geburtshelfer Dr. Spitzner soll - auch eine anekdotische Erzählung - von einer seiner schwierigsten Geburten gesprochen haben.
Hansgünters Vater dankte dem Mediziner später mit einem Fässchen Cognac dafür, dass der seinem Sohn nach viel Geburtsdrama den Weg ins Leben ermöglicht hatte.
Sein kleinbürgerliches, katholisches Elternhaus prägte den Jungen - beide Eltern waren Angestellte, seine Großeltern mütterlicherseits eher politisch bei der Sozialdemokratie verortet. Die Familie seines Vaters war politisch ungebunden. In Löhme bei Schleiz verbrachte Hansgünter Fleischer seine Kindheit, weil er in der Plauener Wettinstraße mit seiner Familie - wie damals viele Plauener - ausgebombt war.
Nach seiner Rückkehr in die Spitzenstadt besuchte er die Mosenschule, später als guter Schüler die EOS »Friedrich Rückert« und die Adolf-Diesterweg-EOS. Das war nicht selbstverständlich, denn schon 1953 starb sein Vater und Hansgünter Fleischer verlor nicht nur seinen Papa, sondern auch eine wirtschaftliche Basis als guten Start ins Leben. Seither - so erzählt er selbst - trug er Kleidung von Bekannten auf, weil die Mutter nicht ausreichend Geld hatte, neue Kleidung zu kaufen.
Dennoch wuchs Hansgünter Fleischer in einer Zeit auf, die sich meine Generation - rückblickend auf die eigene Jugend in den 80-er Jahren - kaum mehr vorstellen konnte. Denn die Berliner Mauer stand noch nicht und seinen Onkel in Aschaffenburg konnte er ebenso problemlos besuchen, wie seine Tante in Finkenwerder, wozu er mit der S-Bahn durch Westberlin fuhr.
1960 verpflichtete sich der, aus der vogtländischen Hügellandschaft stammende, Abiturient Hansgünter Fleischer für drei Jahre zur DDR-Volksmarine. Er wollte - von Fernweh getrieben - raus aufs Meer, auch weil er dann eine Uniform statt abgetragener Kleidung anziehen durfte. Als wir uns vor einiger Zeit unterhielten, bekannte er diesbezüglich: »Weißt Du Ingo, mit einer Uniform, da ist man in jeder Situation gut angezogen.« Diese Sichtweise teile ich - als bekennender Pazifist und im Angesicht aktueller kriegerischer Auseinandersetzungen - zwar nur eingeschränkt, kann das aber aus seiner damaligen Sicht sehr gut nachvollziehen. In der Marineuniform hatte er mehrere Aufgaben, er räumte mit seinen Kameraden Minen aus dem zweiten Weltkrieg in der Ostsee und arbeitete einige Zeit als zweiter Koch auf einer DDR-Staatsjacht. Man bot ihm später sogar an, nach dem Wehrdienst eine Art Militär-Attaché auf See zu werden - dazu hätte er jedoch SED-Mitglied werden müssen, was ihm zuwider war.
Sein Ausweg war damals die frisch gegründete CDU in Plauen - rückwirkend zum 1. Januar 1967 trat er in die Partei ein. Damit war allerdings seine Marinekarriere trotzdem beendet - man mochte damals keine politisch unsicheren Kantonisten.
Nach der Wehrzeit studierte Hansgünter Fleischer an der Humboldt-Universität Berlin und wollte Lehrer für Mathematik und Deutsch werden. Nach einer Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Polytechnik der Uni ging dieser Wunsch auch in Erfüllung.
In der 14. Oberschule in Berlin-Friedrichshain übernahm er wenig später eine 7. Klasse, zu der er bis heute Kontakt hat. Erst vor wenigen Wochen
traf man sich in Leipzig, auch weil Berlin für ihren ehemaligen Lehrer immer ein ganz schön weiter Weg ist.
Weil er damals in der Hauptstadt der DDR keine Wohnung fand, kehrte Hansgünter Fleischer, der heute Gatte der ehemaligen Lehrerin Waltraud und Vater des heute 44-jährigen Sohnes Manuel ist, nach Plauen zurück. Er lehrte fortan in der Kemmler-Schule, später an der Rückert-Schule bis ihn kurz vor der Wende der Ruf an die Behindertenwerkstatt am Wartburgplatz ereilt, deren Leiter er bis 1990 war.
Mit der Friedlichen Revolution übernahm Hansgünter, der seit 1979 im Ehrenamt Stadtverordneter für die CDU war, hauptamtlich für vier Jahre politische Verantwortung als Beigeordneter der Stadt Plauen. In dieser Zeit, die für viele für uns wilde, schnelle und aufregende Jahre waren, versuchte er Weichen zu stellen. Und auch wenn damals vieles gelang - von Kita-Sanierungen über Schulstrukturen, die neu zu schaffen waren, bis hin zur Neuordnung der kulturellen Einrichtungen und dem Mitschreiben am Kulturraumgesetz - sagt Hansgünter Fleischer bis heute, dass in diese Zeit auch sein größter politischer Misserfolg fiel.
Denn: Es gelang nicht, die Orchesterfrage in der Grenzregion mit den meisten Klangkörpern Europas zu lösen. Damals sei er mit dem ehemaligen Intendanten der Hofer Symphoniker, Wilfried Anton, sogar in der bayerischen Staatskanzlei bei Peter Gauweiler gewesen, um eine Fusion der Theaterorchester der Partnerstädte zu einem A-Orchester mit 120 Musikern auf den Weg zu bringen. Das wäre aus seiner Sicht bis heute der Königsweg gewesen, um das Plauener Theater eigenständig in eine Kooperation mit dem Hofer Musentempel zu führen.
Nach seiner Zeit als Berufspolitiker und Verwaltungsmann kehrte Hansgünter Fleischer wieder in den Schuldienst zurück - unterrichtete an der Förderschule Oelsnitz, am Lessing- und am Diesterweg-Gymnasium. Von dort aus erfolgte schließlich seine Abordnung als Leiter der Medienstelle der Stadt Plauen - es war seine letzte berufliche Station, bevor er 2007 in seinen wohlverdienten Ruhestand ging.
Doch auch in seiner Zeit als Lehrer und als Ruheständler blieb Hansgünter Fleischer ein politisch engagierter Mensch, blieb Mitglied der CDU-Stadtratsfraktion bis zum Jahr 2019. In dieser Zeit - insbesondere zwischen 2014 und 2019, als wir gemeinsam in einer Fraktion arbeiteten, habe ich Dich, lieber Hansgünter sehr schätzen gelernt - wegen Deiner stets zugewandten, offenen, diplomatischen, ja oft leisen Art.
Als Stadtrat und Stadtverordneter warst Du somit vierzig Jahre lang tätig - eine unfassbar lange Zeit. Dabei galt Hansgünter stets als Anwalt seiner Wähler und als »Bürgermeister von Alt-Haselbrunn«.
In die Stadtverordnetenversammlung ging er damals übrigens, um ein ganz konkretes Problem vor Ort zu klären. Man wollte den Bahnübergang am Stadtwald - den Posten 79 - nachts komplett schließen, was für die Bürger enorme Umwege zur Straßenbahn bedeutet hätte. Hansgünter Fleischer regte an, wenigstens Halbschranken zu installieren, um Fußgängern ein Überqueren der Gleise zu ermöglichen. Sein Engagement trug Früchte - Kommunalpolitik und Einsatzbereitschaft konnte damals wie heute durchaus wirksam sein. Seinem Spitznamen als »Bürgermeister von Althaselbrunn« wurde er auch gerecht, als er nach der Wende das Abwasserproblem in Althaselbrunn so lange thematisierte, bis der Zweckverband Wasser und Abwasser Vogtland schließlich einen großen Sammler einbaute und das Problem behoben hat.
Weitere positive Entwicklungen, für die sich der heute 82-Jährige stark machte, waren die Ansiedlungen von Kaufland in der einstigen Baumwollspinnerei an der Morgenbergstraße und des Möbelhauses Biller.
Geradezu legendär ist seine Rede zur zwingenden Sanierung der Hammerstraße, als er Dir, lieber Ralf Oberdorfer, die etwas schlüpfrige Frage stellte, ob Du einen Deal mit den dort ansässigen Damen des horizontalen Gewerbes hättest. Die Straße sei so schlaglochhaft, dass die Betten wackeln würden, wenn ein Lkw vorbei fährt, was wiederum den Job der dort arbeitenden Frauen erleichtere.
Fakt am Rande: Die Straße wurde in zeitlicher Nähe dieser pointierten Wortmeldung grundhaft instand gesetzt.
Weg von der Politik: Kommen wir noch zu einem Hobby, das Hansgünter Fleischer seit vielen Jahren pflegt. Durch seine Zeit als Seefahrer hat er einen Hang zu Seemannsliedern, die er im Shanty-Chor der Marinekameradschaft Plauen ausgiebig pflegt. Er hatte die Choristen einst auf die Zeit nach seiner Berufstätigkeit vertröstet - und pünktlich am ersten Rententag standen die Shanty-Sänger vor seiner Tür und erinnerten ihn an sein Versprechen. Und wie er es üblicherweise tut, so stand er dazu, was er damals gesagt hatte.
Dem Singen aber frönt er bereits seit 1973 im Oelsnitzer »Halbmond-Chor«, der heute als Vogtlandchor »Vocapella« einen guten Ruf bei Musikfreunden genießt. Oft führte er als Conferencier durch die
Chorprogramme des Ensembles, was ihm in Künstlerkreisen den Spitznamen »Fips« Fleischer - nach dem gleichnamigen Komponisten und Entertainer - einbrachte.
Du, lieber Hansgünter Fleischer, bekommst auf meinen Vorschlag, den die FDP-Fraktion im Stadtrat aufgegriffen hat und der die Unterstützung einer breiten Mehrheit im höchsten Gremium unserer Stadt erhielt, heute die Stadtplakette Plauens.
Dazu möchte ich Dir ganz herzlich gratulieren! Bleib gesund und Deiner Heimatstadt noch lange - auch als kluger, diplomatischer Ratgeber - erhalten!
Danke, dass Du Deine - unsere - Stadt Plauen auf so bemerkenswerte Weise mitgestaltet hast!

Ingo Eckardt
Parteiloses Mitglied der FDP-Fraktion im Stadtrat Plauen

24.10.2023